Ein Beitrag von Stefanie Dyballa, veröffentlicht im Elitebrief 3/2024

Seit dem Brexit hinkt der britische Leitindex FTSE dem DAX und anderen globalen Indizes hinterher. Doch nicht nur Großbritanniens Austritt aus der EU, sondern auch die sprunghafte Politik, eine hartnäckig hohe Inflation und trübe Wachstumsprognosen belasten die Wirtschaft – und damit auch die Börse. Sollten Anleger besser die Finger von britischen Aktien lassen oder gerade jetzt einsteigen?

Der Hype um die Künstliche Intelligenz und die Hoffnung auf fallende Zinsen haben die Börsen der Industrieländer beflügelt. Seit Januar 2023 hat der globale Aktienindex MSCI World gut 30 % zugelegt. An der Börse in London gab es dagegen lange Gesichter. Der britische Leitindex FTSE 100 hat im gleichen Zeitraum nur ein Plus von rund 10% erzielt.

Wenig Technologiebranche und viel old economy
Die schwache Performance liegt u.a. an der Struktur des britischen Kapitalmarktes. Im FTSE100 sind vor allem Value-Aktien aus den Sektoren Konsum, Finanzen und Rohstoffe beheimatet. Diese Branchen wachsen solide, bieten hohe Dividendenrenditen, entfachen aber kaum Kursfantasie. Wachstumsstarke Hightech-Unternehmen hingegen sind Mangelware. Technologie ist im FTSE100 nur mit rund 4% gewichtet, im MSCI World machen IT und Telekommunikation mehr als ein Drittel aus.

UK-Discount
Langzeitprobleme, wie das Außenhandelsdefizit, eine hohe Staatsverschuldung und die niedrige Produktivität, bremsen die britische Wirtschaft. Zudem belasten hohe Unternehmenssteuern die Wettbewerbsfähigkeit. Nicht umsonst notieren die Papiere im Königreich traditionell mit einem „UK-Discount“.

Hartnäckige Inflation und hohe Zinsen bald Geschichte?
Der Mix aus Arbeitskräftemangel, kräftigen Lohnsteigerungen und hohen Importpreisen für Energie und Lebensmittel befeuerte lange die Inflation. Um den Preisauftrieb zu bremsen, hat die Bank of England die Zinsen bis auf 5,25% erhöht. Im Februar 2024 fiel die Teuerungsrate mit 3,4% auf den tiefsten Stand seit zweieinhalb Jahren. Das ebnet den Weg für eine Zinswende.

Billig wie selten
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) lag in den vergangenen 20 Jahren nur an 20% der Tage niedriger als heute. Das heißt, im Regelfall war die Londoner Börse deutlich teurer. Das durchschnittliche KGV des FTSE 100 lag im Februar 2024 bei 11,8. Im Vergleich dazu ist der MSCI World mit einem KGV von 21,6 längst kein Schnäppchen mehr.

Geringe Abhängigkeit vom Binnenmarkt
Die im FTSE 100 gelisteten Unternehmen – wie der Energieriese Shell oder die Großbank HSBC – sind auf Erträge im Ausland ausgerichtet. Insgesamt erwirtschaften die im Leitindex enthaltenen Unternehmen laut FactSet nur 27% ihrer Umsätze im Vereinigten Königreich. Das britisch-australische Minenunternehmen Rio Tinto verbuchte 2023 allein 57% des Umsatzes nur mit China.

Hohe Dividenden und Aktienrückkäufe
Traditionell zählen britische Unternehmen zu den solidesten Dividendenzahlern. Die durchschnittliche Dividendenrendite im FTSE 100 liegt per Ende Februar bei 3,9%. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen laufend Aktien zurückkaufen. Ein weiterer Pluspunkt für deutsche Anleger: Auf britische Dividendenzahlungen fällt derzeit keine Quellensteuer an.

Licht am Ende des Tunnels
Ende 2023 war die britische Wirtschaft in eine technische Rezession gerutscht, konnte sich im Januar aber wieder leicht erholen. Das erhöht den Druck auf die Notenbank die Zinsen zu senken. Wenn die Inflation sinkt und sich das Konsumentenvertrauen bessert, hilft das in erster Linie binnenorientierten Unternehmen. Da die britischen Large Caps drei Viertel ihrer Erträge im Ausland erzielen, bieten diese Werte zusätzlich eine historisch günstige Option auf die Aufhellung der Weltwirtschaft.

Über den Autor

Stefanie Dyballa von der KSW Vermögensverwaltung

Als gelernte Bankkauffrau und Betriebswirtin IHK verfügt Stefanie Dyballa über eine mehr als 20-jährige Expertise in der Beratung wohlhabender Privatpersonen und Unternehmen. Nach einer Ausbildung bei der Commerzbank AG in Nürnberg übernahm Stefanie Dyballa 2003 die Position der Private Banking Beraterin. Ab 2011 begleitete sie für sieben Jahre große Firmenkunden und Institutionelle in den Themen Währungs-, Rohstoff- und Assetmanagement.
Die Leidenschaft für Wertpapiere führte sie 2018 zurück in das Privatkundengeschäft. Im Wealth Management Nürnberg der Commerzbank AG übernahm sie als Senior Anlagemanagerin die Beratung anspruchsvoller, vermögender Privatpersonen. Ihre ausgesprochen hohe Kundenorientierung und individuelle Betreuung führt Stefanie Dyballa seit Januar 2023 als Portfoliomanagerin bei der KSW fort.