Die deutsche Aktienrente – zu spät, zu wenig?
Deutschland macht sich auf den Weg: Eine neu einzuführende „Aktienrente“ soll retten, was seit Jahrzehnten nicht mehr richtig funktioniert, nämlich den „Generationenvertrag“. Der besagt, dass die aktuell arbeitende Bevölkerung den Ruhestand der älteren, nicht mehr arbeitenden Bürger finanziert. Dass dies angesichts der auf den Kopf gestellten Alterspyramide in Deutschland und immer geringerer Geburtenraten in eine Sackgasse führt, haben mittlerweile die meisten Politiker verstanden. Nun also der Vorstoß in die Moderne: Die Rentenkasse soll künftig zu einem Teil aus Kapitalerträgen finanziert werden.
10 Mrd. Euro nimmt die Regierung in die Hand, um das auf Umlagen basierende Rentensystem der Bundesrepublik demografiefest zu machen. Leider ist das nicht mehr als ein Tropfen auf den viel zu heißen Stein. Für 2023 plant der Bund Transferzahlungen in die Rentenversicherung in Höhe von ca. 120 Mrd. Euro. Aus Beiträgen nahm die Deutsche Rentenversicherung 2022 ca. 270 Mrd. Euro ein. Da erscheinen 10 Mrd. Euro für den geplanten Kapitalstock lächerlich. Und dann soll diese Summe auch noch schuldenfinanziert dem neu zu schaffenden Fonds für die Aktienrente als Darlehen zur Verfügung gestellt werden.
Schuldenfinanzierter Grundstock geplant
Was für ein genialer Schachzug! Ist doch damit zu rechnen, dass auf lange Sicht die Wertentwicklung des Aktienportfolios in der Lage sein sollte, den Kapitaldienst des Darlehens zu bedienen. An eine Aufbesserung der Rentenbezüge ist so (anfangs) gar nicht zu denken! Aber das ist ja auch nicht das Ziel der neuen Aktienrente. Es soll lediglich versucht werden, dem aufgrund des demografischen Wandels zunehmenden Druck entgegenzuwirken, die Beitragssätze der Rentenversicherung immens steigen zu lassen.
Dass es anders geht, zeigt uns vor allem der norwegische Staatsfonds. Dieser investiert bereits seit 1998 in Aktien, ist mittlerweile über eine Billion Euro „schwer“ und garantiert jedem norwegischen Bürger eine Mindestrente in Höhe von 1.600 Euro monatlich. Zur Fairness sei erwähnt, dass sich der Fonds vor allem aus sprudelnden Öleinnahmen finanziert, die es in Deutschland nun einmal nicht gibt.
CO2Mehr Ambition erforderlich
Zumindest hat Finanzminister Lindner erkannt, dass das deutsche Rentenversicherungssystem renoviert werden muss und dass eine Aktienkomponente dabei langfristig helfen kann. Auch dass der Aktienfonds deutlich aufgestockt werden muss („ein dreistelliger Milliardenbetrag“), ist dem Finanzminister bewusst. Leider konnte er sich nicht mit dem Vorschlag durchsetzen, einen Teil der Rentenversicherungsbeiträge direkt in die Aktienrente einfließen zu lassen. So sieht es etwa das schwedische Modell vor. Bleibt zu hoffen, dass die Gedankenspiele, die maroden staatlichen Beteiligungen (Commerzbank, Lufthansa, …) in den Fonds zu übertragen, ad acta gelegt werden, um eine Totgeburt zu vermeiden.
Prinzipiell ist der Aufbau eines aktienbasierten zweiten Standbeins in der Rentenversicherung lobenswert. Die Anstrengungen müssen aber ambitionierter ausfallen. So bleibt es bis auf Weiteres dabei, dass man die Altersvorsorge am besten selbst in die Hand nimmt. Mit breit streuenden Aktien-ETF-Sparplänen kann man hervorragend und sehr flexibel bezüglich der Beitragshöhe für sein Alter vorsorgen. Und gegenüber den recht komplizierten Alternativangeboten (Rürup, Riester) sind sie auch wesentlich günstiger und aussichtsreicher.
Über den Autor
Seit mehr als 30 Jahren fühlt sich Udo Rieder dem Wertpapiergeschäft verbunden. Der Ausbildung bei der Deutschen Bank AG in Nürnberg folgten Einsätze als Investmentmanager in Lübeck und Genf, wo er das internationale Geschäft sehr wohlhabender Klienten betreute. Seine Rückkehr nach Deutschland führte ihn über die Leitung der Vermögensverwaltung für Nordbayern hin zur Verantwortung für die Investmentmanager im neu gegründeten Geschäftsbereich Private Wealth Management. Im Jahr 2008 ist er zur UBS Deutschland AG gewechselt, um die neu zu eröffnende Niederlassung Nürnberg mit aufzubauen. Seine berufliche Tätigkeit wurde flankiert von berufsbegleitenden Studien an der Bankakademie und der European Business School. Zudem ist er zertifizierter Eurex-Anlageberater. Im Januar 2015 trat Herr Rieder als Gesellschafter der KSW bei, um seine Kunden als Portfoliomanager weiterhin individuell zu betreuen.