Glänzende Alternativen?
Während der schlimmsten Tage der ersten Corona-Welle habe ich mein „Comeback“ als Kolumnist für die Zeit angekündigt, in der sich alles wieder ein wenig normalisiert hat. Angesichts der seitdem weltweit zu beobachtenden Erholungen an den Kapitalmärkten könnte man wieder an eine heile Börsenwelt glauben. Ist dem jedoch wirklich so? Oder kommt die Krise mit voller Wucht zurück und es braucht mehr krisenfeste Anlagen im Depot?
Wenn man sich mit volkswirtschaftlichen Indikatoren oder fundamentalen Kennzahlen beschäftigt, dann darf man sich schon fragen, ob all das Wissen, das man sich über Jahrzehnte angeeignet hat, aktuell „für die Katz‘“ ist. Es scheint nur noch eine Börsenregel zu gelten: Leg‘ Dich niemals mit den Notenbanken an!
Silber noch mit Luft nach oben
Zeitgleich mit den Aktienkursen ist jedoch auch der Goldpreis gestiegen. Angesichts der Höchststände, die zwischenzeitlich erreicht wurden, suchen Investoren nun vermehrt nach Alternativen zum gelben Metall. Aber gibt es überhaupt eine ähnlich krisenfeste und gleichermaßen liquide „Währung“ wie Gold?
Schnell landet man auf der Suche bei der „kleinen Schwester“ Silber, die sich in den vergangenen Jahren ähnlich entwickelt hat wie Gold, wenn auch unter höheren Schwankungen. Und im Gegensatz zum großen Bruder ist bis zu den alten Höchstständen noch reichlich Luft nach oben. Für Silber spricht neben der Nullzinspolitik der Notenbanken auch eine anziehende industrielle Nachfrage, sofern sich die Nach-Corona-Wirtschaft erholt wie erhofft. Den Silberpreis dürfte zudem stützen, dass pandemiebedingt die Förderung vor allem in den wichtigen südamerikanischen Minen gekürzt wurde.
Platin und Palladium hängen an der Autokonjunktur
Und Platin? Das edelste der Metalle hat in der Vergangenheit nicht gerade glänzen können und notiert deutlich unter seinen ehemaligen Höchstständen. Da Platin vor allem in der Automobil- und Luftfahrtindustrie nachgefragt wird, hat der Kurs unter der Viruskrise stark gelitten. Nimmt die Wirtschaft wieder Fahrt auf, bessert sich auch der Ausblick für die Preisentwicklung für Platin. Angesichts der aktuell sehr niedrigen Korrelation zum Gold erscheint das Kurspotenzial aber begrenzt.
Palladium, das nur wenige Anleger auf dem Radar haben, wird zu einem verschwindend geringen Anteil in der Schmuckindustrie verarbeitet. Über 80 % der Nachfrage kam 2019 aus der Automobilindustrie für Katalysatoren. Entsprechend verzeichnete das silberweiße Metall im Frühjahr auch den größten „Corona-Abschlag“ mit ca. 40 % vom zwischenzeitlichen Hoch. In den zurückliegenden fünf Jahren jedoch war es das mit Abstand attraktivste Edelmetall-Investment. Dennoch eignet es sich kaum als stabilisierender Bestandteil eines privaten Depots. Das geringe Handelsvolumen und die Marktenge sorgen für eine sehr hohe Volatilität.
Nicht unerwähnt will ich lassen, dass der Ausblick für einige Basis- bzw. Industriemetalle momentan recht attraktiv ist, aber es sind eben keine „alternativen Edelmetalle“. Und gerade in den unsicheren Zeiten, in denen wir uns gerade befinden, hat die Überschrift einer meiner früheren Kolumnen weiterhin Bestand: „Gold und Silber lieb‘ ich sehr, kann’s auch gut gebrauchen.“
Über den Autor
Seit mehr als 30 Jahren fühlt sich Udo Rieder dem Wertpapiergeschäft verbunden. Der Ausbildung bei der Deutschen Bank AG in Nürnberg folgten Einsätze als Investmentmanager in Lübeck und Genf, wo er das internationale Geschäft sehr wohlhabender Klienten betreute. Seine Rückkehr nach Deutschland führte ihn über die Leitung der Vermögensverwaltung für Nordbayern hin zur Verantwortung für die Investmentmanager im neu gegründeten Geschäftsbereich Private Wealth Management. Im Jahr 2008 ist er zur UBS Deutschland AG gewechselt, um die neu zu eröffnende Niederlassung Nürnberg mit aufzubauen. Seine berufliche Tätigkeit wurde flankiert von berufsbegleitenden Studien an der Bankakademie und der European Business School. Zudem ist er zertifizierter Eurex-Anlageberater. Im Januar 2015 trat Herr Rieder als Gesellschafter der KSW bei, um seine Kunden als Portfoliomanager weiterhin individuell zu betreuen.