Die fabelhafte Märchenwelt der EZB
Aber wehe, wehe, wehe! Wenn ich auf das Ende sehe!!
Dieser Satz stammt aus dem Vorwort von Wilhelm Busch in seiner Bubengeschichte von „Max und Moritz“. Böse Buben, die böse Streiche aushecken und dann böse enden. Das erinnert schon etwas an die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Auch wenn die Zentralbanker sicher keine bösen Buben sind, wird der geldpolitische Streich böse enden. Weil sich trotz jahrelanger, ultralockerer Geldpolitik die wirtschaftlichen Erfolge nicht dauerhaft einstellen, wird in den Notenbankzentralen schon über den nächsten Streich nachgedacht, um den Märkten eine weitere Dosis Geld zu verabreichen.
Wenn jemand gewinnt, muss ein anderer verlieren
Bereits drei Viertel aller Staatsanleihen in Europa – in Deutschland dürften es schon 97 Prozent der Bundesanleihen sein – bescheren den Inhabern negative Renditen. Obwohl Bundesanleihen im Volumen von etwa 1,3 Billionen Euro mit Minusrenditen gehandelt werden und der Staat mit seinen Schulden Gewinne erzielt, ist die Politik weiter auf der Suche nach neuen Einnahmequellen und erfindet irgendwelche Märchensteuern. Damit nicht genug: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Kreditinstitute auch den privaten Normalkunden Geld für ihre Guthaben auf den Konten abnehmen.
Niemand sollte glauben, dass sich dieser Trend je wieder nachhaltig umkehren wird, genauso wenig wie sich einmal herausgepresste Zahnpasta in die Tube zurückdrücken lässt.
Finanzanlagen verlieren Bezug zur Wirtschaftsleistung
„Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter blanke Taler“, heißt es in dem Grimm’schen Märchen vom Sterntaler. Der Geldregen der EZB hat zur Folge, dass Finanzanlagen immer mehr den Bezug zur Realwirtschaft verlieren. Während die Weltwirtschaftsleistung 2018 bei 85 Billionen US-Dollar gelegen haben dürfte, sind die Finanzanlagen auf mehr als 340 Billionen US-Dollar angeschwollen. Im letzten Jahrhundert lagen diese Zahlen lange Zeit gleichauf. Dazu kommt, dass sich längst mehr als 50 Prozent der weltweiten Finanzanlagen außerhalb des regulierten und überwachten Bankensystems abspielen. Das lässt erahnen, welches Gewicht sogenannte Schattenbanken mittlerweile haben.
Sterntaler sammelte die Taler „und war reich für sein Lebtag“. Das versuchen viele Bundesbürger auch. Da angelegtes Geld keine sicheren Erträge mehr abwirft, horten viele Sparer noch mehr Reserven fürs Alter. Die Hoffnung der Zentralbank, dass wegen der abhandengekommenen Zinsen weniger gespart und mehr konsumiert wird, geht wohl nicht auf. Und auch für die Sparer wird sich der Traum vom reichen Lebtag nicht erfüllen. Viele Menschen werden dank der Nullzinsen im Alter noch ärmer sein, als es jetzt schon mit Blick auf die demografische Entwicklung zu erwarten ist.
Es bleibt eine Märchenwelt
Die Hoffnung, dass die märchenhafte Welt des Geldregens kein böses Ende nehmen wird, schwindet zunehmend. Um die sich ständig neu öffnenden Löcher in der Finanzwelt zu stopfen, erlangen die Notenbanken immer mehr Handlungsgewalt, welche der Politik immer mehr flöten geht. Der langjährige Chefvolkswirt der Bundesbank und EZB, Ottmar Issing, sprach schon 2018 in einem Interview von einer Politisierung der Geldpolitik und warnte vor negativen Folgen für die Stabilität des Preisniveaus. Doch die Signale werden weiter ignoriert, es geht weiter wie bisher und die künftige Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, sprach sogar davon, einen weiteren breit gefächerten Werkzeugkasten zur Verfügung zu haben. Wer glaubt, dass sich auf diese Weise alles regeln lässt und es danach wieder gut wird, sollte lieber Märchenbücher lesen.
Über den Autor
Manfred Rath ist seit mehr als 35 Jahren im Vermögensanlagegeschäft tätig. Bereits nach der Ausbildung ging er den klassischen Weg zum Wertpapierspezialisten in der damaligen Bayerischen Vereinsbank. Dort übernahm er auch die Leitung eines Teams in der Nordoberpfalz, bevor er nach 27-jähriger Zugehörigkeit zur BHF BANK wechselte. In diesen 6 Jahren bei der Privatbank war der Schwerpunkt erneut die Vermögensanlage und -allokation sowie die stellvertretende Leitung der Niederlassung Nürnberg. Seit Juli 2012 ist er als Portfoliomanager für die KSW tätig.