MMT: Nur ein Märchen unbegrenzter Geldschöpfung ohne Konsequenzen
Aus wissenschaftlichen Kreisen elektrisiert eine neue Geldtheorie Wirtschaftsweise und Politiker: Die Modern Monetary Theory (MMT). Sie gilt als eines der umstrittensten makroökonomischen Modelle der Gegenwart. Die Theorie stellt eine Vielzahl von Erkenntnissen auf den Kopf.
Das Treffen der europäischen Notenbankgouverneure Mitte Juni in Portugal hat gezeigt, dass die Europäische Zentralbank mit ihrer ultralockeren Geldpolitik noch nicht am Ende ist. Wir stehen am Beginn einer weiteren Welle der Geldflutung. Nicht nur in Europa, weltweit reagieren die Staaten aktuell auf die ersten Anzeichen einer Konjunkturabkühlung mit noch mehr Krediten für die Firmen, noch mehr Staatsschulden und noch niedrigeren Leitzinsen, als hätte es die Finanzkrise 2008 mit ihren verheerenden Auswirkungen nicht gegeben.
Vor diesem Hintergrund hat die Modern Monetary Theory (MMT) wieder an Bedeutung gewonnen. Das Modell wurde schon vor 25 Jahren vom US-Ökonomen Warren Mosler erdacht. Bei der MMT geht es im Wesentlichen um das Zusammenspiel zwischen der jeweiligen Notenbank und dem Staat in einem abgeschlossenen Wirtschaftsraum mit flexibler Währung. Dabei steht die Staatsfinanzierung durch Kredite im Mittelpunkt.
Die Vertreter der MMT gehen davon aus, dass jede wirtschaftliche Krise durch Gelddrucken und gleichzeitige Reduktion der Steuerlast gemeistert werden kann. So lange die Inflation im jeweiligen Wirtschaftsraum niedrig ist, kann der Staat demnach relativ unbegrenzt Geld schöpfen.
Der Mechanismus lässt sich an einem vereinfachten Beispiel darstellen: Der Staat lässt eine Autobahnbrücke bauen und bezahlt die Rechnung über sein Zentralbankkonto auf das Geschäftsbankkonto der ausführenden Firma. So erhöht sich die Geldmenge, weil die Geschäftsbank über Liquidität verfügt und sich die Reserven bei der Zentralbank erhöhen. Der Staat hat damit eine Investition getätigt und Geld nicht zur Bezahlung von Schulden verwendet. Die Ausweitung der Geldmenge führt nicht automatisch zu höheren Zinsen, weil der Staat kein Geld am Kapitalmarkt aufnehmen muss. Die Geldpolitik der Notenbank dient in dem Modell nur noch zur Zinssteuerung. Zentralbanken sollen dementsprechend auch nur noch auf die Veränderung der Inflationsrate reagieren und spielen sonst keine große Rolle.
Im Prinzip betreibt Japan schon seit 20 Jahren eine ähnliche Politik. Der Staat hat hohe Defizite, die durch Staatsanleihen finanziert werden. Diese Anleihen werden nach der Neuauflage im Regelfall von großen Pensionskassen und Versicherungen erworben. Die japanische Notenbank wiederum kauft dann die Anleihen auf. Dadurch steigen die Geldmenge und die monetäre Basis der Geschäftsbanken. Mittlerweile hält die Bank of Japan rund 70 Prozent der im Umlauf befindlichen Staatsanleihen. Die Zinsen sind seit Jahrzehnten nahe null und der Außenwert der Währung dabei erstaunlich stabil. An den Kapitalmärkten wird zwar die hohe japanische Staatsverschuldung immer wieder diskutiert, einen internationalen Vertrauensverlust der Investoren hat es aber nie gegeben.
Die Amerikaner werden versuchen, dieses Modell zu kopieren. Die Staatsschulden werden sie noch lange Zeit ausweiten können. Das funktioniert, solange die Wachstumsrate der Schulden einigermaßen im Gleichlauf mit dem Bruttosozialprodukt steigt. Die MMT wird daher ein zentraler Punkt im nächsten Präsidentschaftswahlkampf sein. In der Eurozone spielt die MMT dagegen bisher keine größere Rolle. Sie könnte auch nur funktionieren, wenn wir eine einheitliche Finanzpolitik hätten. Außerdem greift die MMT nur, wenn die Zinsen extrem niedrig sind. In den 1970er Jahren etwa war das Zinsniveau zweistellig. Die ausufernden Staatsschulden führten zu einem weiteren Anheizen der Inflation und am Ende wurde die Bonität der Staaten in Frage gestellt.
Fazit:
Die deutlichste Schwäche an dieser Theorie ist die Tatsache, dass der Privatsektor als langfristiger Treiber einer wachsenden Volkswirtschaft keine Beachtung findet. Langfristig muss aber jede Rechnung von irgendjemandem bezahlt werden. Das Verrückteste ist, dass es kaum jemanden mehr stört, dass die Staatsquote an der Wirtschaftsleistung weiter zunimmt, solange der Staat ungebremst agieren kann. Die Generation der Politiker, die die letzte Finanzkrise miterlebt haben, sind weitgehend abgetreten. Deren Nachfolger haben scheinbar kein Gedächtnis. Für sie sind die außergewöhnliche Geldpolitik, die hohe Staatsverschuldung und die Politik der Notenpresse Teil einer neuen Normalität geworden.
Die nächste Weltfinanzkrise ist deshalb die am besten prognostizierbare der Weltgeschichte. Insofern sollte man dem politischen Treiben und dem Agieren der Notenbanken höchste Aufmerksamkeit beimessen. Die Entwicklungen werden erhebliche Auswirkungen auf die Kapitalmärkte und auf die Allokation des eigenen Vermögens haben.
Über den Autor
Wolfgang Köbler kann auf eine klassische mehr als 35-jährige Karriere in der Finanzbranche zurückblicken. Nach verschiedenen Führungsaufgaben im Privatkundengeschäft war er zuletzt als Direktor im Wealth Management der Dresdner Bank AG tätig. Berufsbegleitend studierte er in den 80’iger Jahren an der Bankakademie und ist heute noch ehrenamtlich im Prüfungswesen der IHK tätig. Den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit bildete immer die ganzheitliche Betreuung seiner Kunden. Seit 2005 ist Wolfgang Köbler Partner und Vorstand der KSW Vermögensverwaltung AG in Nürnberg. Neben dem Management eines Family Office widmet er sich der individuellen Betreuung von diskretionären Vermögensverwaltungsmandaten. Nebenberuflich fungiert er als Aufsichtsratsmitglied einer börsennotierten Gesellschaft und Finanzvorstand für eine kirchliche Institution.