Leitzinssenkungen – wie geht es weiter?

Die Inflationsraten in den USA und Europa nähern sich der Zielmarke von rund 2% an. Die Notenbanken haben deshalb schon begonnen ihre Geldpolitik wieder zu lockern, die Zinsen fallen. Doch wie stark wird dieser Rückgang ausfallen? Und wie stellt man sich im Portfoliomanagement auf das künftige Zinsumfeld ein?

Ein Blick auf frühere Zinserhöhungszyklen lohnt sich. Historisch betrachtet waren die Leitzinsen nach solchen Zyklen stets niedriger als zuvor. So erhöhte die EZB beispielsweise in den Jahren 1999 und 2000 den Einlagezins von 1,5 % auf bis zu 3,75 %. Doch schon 2003 lagen die Zinsen wieder bei nur 1 %. Der nächste Zyklus startete auf diesem niedrigen Niveau und erreichte 2008 seinen Höhepunkt bei 3,25 %, nur um bereits 2009 auf 0,25 % zu sinken. Die darauffolgende Phase mit extrem niedrigen Zinsen, bis hin zu -0,5 % ist noch vielen in Erinnerung. In der Spitze wurden die Einlagezinsen nun auf 4 % angehoben.

Ob sich das historische Muster wiederholt? Der schwachen Wirtschaft und der zumeist hohen Staatsverschuldung würde ein merklich niedrigeres Zinsumfeld bei gleichzeitig moderater Inflation guttun.

 

Strukturelle Inflationstreiber sprechen für ein erhöhtes Zinsumfeld
Nach Abklingen der Pandemie wurden die neuen Knappheitsverhältnisse zum ersten Mal deutlich – es mangelt an Arbeitskräften. Der Abgang der älteren Jahrgänge begann den Zugang der jüngeren Jahrgänge und Einwanderern in die Erwerbsbevölkerung auszugleichen oder zu übersteigen. Dies dürfte zu steigenden Löhnen und damit zu Aufwärtsdruck bei den Konsumentenpreise führen.

Zudem legte die Pandemie offen, wie fragil die globalen Lieferketten sind. In der Folge versuchten Unternehmen ihre Abhängigkeiten zu verringern und regional nähergelegene Lieferquellen aufzubauen. Diese Form der De-Globalisierung könnte langfristig ebenfalls preistreibend wirken.

Zusätzlich werden die klimapolitischen Maßnahmen zur CO₂-Reduktion die Kosten für Produktion und Transport von Waren erhöhen. In Deutschland beispielsweise steigt der Preis für CO₂ aufgrund gesetzlicher Vorgaben von 25 Euro im Jahr 2021 auf bis zu 65 Euro im Jahr 2026. Dieser Aufschlag betrifft nicht nur das Tanken und Heizen, sondern nahezu alle Konsumgüter.

Unabhängig davon, wie stark die Zinsen in den kommenden Monaten tatsächlich sinken, ist festzustellen, dass festverzinsliche Wertpapiere hoher Bonität beim aktuellen Zinsniveau einen wertvollen Beitrag zur Diversifikation im Portfolio leisten können. Sollten etwa geopolitische Ereignisse die Märkte erschüttern, ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach solchen sicheren Papieren steigt und damit auch deren Wert.

Aktuelle Anleiherenditen erhalten die Kaufkraft
Während die Banken die Zinssätze für Festgelder rapide senken, bietet der Kapitalmarkt nach wie vor Zinsen oberhalb des aktuellen und des erwarteten Inflationsniveaus für die kommenden Jahre. Hier können einerseits die Zinsen über einen vorab festgelegten Zeitraum festgeschrieben werden, andererseits bleibt der Anleger liquide und kann seine Anlagen im Regelfall jederzeit veräußern. Dies bietet konservativen Anlegern die Möglichkeit ihr Kapital mit realem Werterhalt anzulegen.

Ob zur Diversifikation oder zum Schutz vor Inflation – Anleihen sollten derzeit einen festen Platz im Portfolio haben, ganz unabhängig davon, wie weit die Zinsen noch fallen werden.

Über den Autor

Tobias Wagner von der KSW Vermögensverwaltung

Tobias Wagner absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Privatbank Max Flessa KG. Im Anschluss studierte er Wirtschaftswissenschaften (B.A.) und Finance, Auditing, Controlling and Taxation (M.Sc.). Sein dabei erworbenes Wissen vertiefte er unter anderem in der Steuerberatung, in der Wirtschaftsprüfung und im Portfoliomanagement. Während seines Studiums schloss er außerdem eine Ausbildung zum IHK geprüften Immobilienverwalter ab. Bevor Tobias Wagner 2021 zur KSW kam, war er im Wertpapiergeschäft der UmweltBank AG tätig. In seiner Funktion als Portfoliomanager ist er nun mit der individuellen Betreuung von Vermögensverwaltungmandaten betraut.